Hintergrundinfos: Entstehungsgeschichte des Lehrpfades

Der zündende Funke

Die Idee zum Lehrpfad kam mir, als ich bei der Ausgrabung in Oberhausen gearbeitet habe. Viele fragten mich, aus welcher Zeit die Gräber waren und zeigten sich verwundert, wenn ich Ihnen antwortete: "Aus dem 6. - 9. Jahrhundert nach Christus". Der allgemeine Konsens war einfach, dass wir in Groß-Enzersdorf eine mittelalterliche Stadtmauer haben, und 1809 Napoleon die Stadt belagert hatte. Aber eine Geschichte davor? Da waren viele überrascht.

Das machte mich neugierig, und ich bat das Bundesdenkmalamt um einen Auszug aus dem Fundverzeichnis zu archäologischen Funden in der Großgemeinde Groß-Enzersdorf. Und siehe da - es gibt hier Funde ab der Jungsteinzeit! Bei genaueren Recherchen fand ich heraus, dass auch Tonkrüge aus der Jungsteinzeit und ein Webgewicht im Heimatmuseum zu bestaunen waren.

Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für den Vortrag "Knochen lesen - auf den Spuren vergangener Kulturen" im Heimatmuseum, organisiert durch den Heimatverein Groß-Enzersdorf. Hier durfte ich zahlreiche Interessierte auf eine Reise durch die Ur- und Frühgeschichte mitnehmen.

Das äußerst positive Feedback wiederum ließ die Idee des Lehrpfades langsam wachsen. Mit der Unterstützung der Gemeinde Groß-Enzersdorf und des Landes Niederösterreich gings dann Ende Mai 2019 an die Umsetzung.

"Making off" des Lehrpfades

Für das Grundkonzept war klar definiert, dass bei jeder Epoche eine abgeschrägte "Infotafel" in A0-Querformat und jeweils eine "Erlebnistafel" in A1-Hochformat ausgearbeitet werden würde. Die "Infotafeln" enthalten, wie der Name besagt, Informationen zu den Epochen allgemein und auch zu den Funden im Großraum Groß-Enzersdorf.

Die "Erlebnistafeln" hingegen sollten im Erstentwurf wörtlich zum Entdecken einladen, indem etwas zu erkunden und zu öffnen montiert werden sollte. Doch dieses sensorische Konzept musste wegen Corona auf einfache Tafeln adaptiert werden. Nun stellen die "Erlebnistafeln" daher in klassischer Präsentationsform jeweils einen Themenbereich der experimentellen Archäologie vor, also jener Forschungsdisziplin in der Archäologie, bei der Gegenstände aus einer Zeit mit den damaligen Methoden und Materialien angefertigt werden. Die Erkenntnisse aus den Versuchen dazu helfen uns, die Lebensweise vergangener Zeiten besser zu verstehen.

Wie entstanden die Infotafeln?

Ich habe unzählige Stunden auf Academia und Research gate nach Originalpublikationen zu den unterschiedlichen Epochen in Niederösterreich und im Marchfeld gesucht, zahlreiche Bücher gelesen, die Bände des Heimatvereins durchforstet und auch in den Fundberichten aus Österreich recherchiert, um die Informationen zu jeder Epoche für die Infotafeln auszukundschaften. Daraus entstanden erste Textentwürfe für die Infotafeln.

Um entsprechende Bilder von Funden, die nicht im Heimatmuseum Groß-Enzersdorf lagern oder gar als verschollen gelten, zu bekommen, waren weitere Recherchen nötig. So verbrachte ich beispielsweise viele Tage damit, geeignetes Bildmaterial zu finden, zu fotografieren, oder auch beim MAMUZ Asparn zu recherchieren und fotografieren zu lassen. Aber auch in der Bibliothek der Stadtarchäologie Wien wurde ich tatkräftig unterstützt und auch fündig, ebenso beim Heeresgeschichtlichen Museum Wien. Vielen Dank an dieser Stelle für die Offenheit und Unterstützung der genannten Museen!

Die Erlebnistafeln: was passt für welche Zeit?

Für die Erlebnistafeln habe ich nicht nur recherchiert, sondern auch selbst unter fachmännischer Leitung z.B. ein Messer geschmiedet. Vieles begreift man erst wirklich, wenn man es selber tut; davon bin ich seit Kursen wie dem Knochen- und Geweihschnitzen, Messer und Pfeilspitze schmieden, urgeschichtlichen Kochen und Töpfern mehr denn je überzeugt. Auch einen Glasperlenkurs, und das Bronzegießen und Nachbearbeiten der Gussstücke habe ich genossen. Historische Kleidung nähe ich seit vielen Jahren selbst, aber natürlich nur als Laie und - ich gestehe - mit der Nähmaschine.

Eine Erkenntnis hat mich ganz besonders berührt während all dieser Kurse - die Menschen von damals hatten Zeit, und mussten auch viel Zeit aufbringen, um mit den damaligen Werkzeugen all diese Werkstücke zu erzeugen. Und noch etwas wurde mir ganz stark klar - die selbst hergestellten Werkstücke aus diesen ein- bis zweitägigen Kursen waren erst ein Vorgeschmack auf all das Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten, die in den Originalfunden konzentriert vorliegen, und das die Experimentalarchäologen wieder zum Leben erwecken.

Es wird einem einfach erst richtig bewusst, wie viel Können in den Grabbeigaben und Siedlungsfunden steckt, wenn man versucht, diese selbst herzustellen.

Welche Erlebnisse gibt es zu erkunden?

Daher decken die Erlebnistafeln handwerkliche und künstlerische Bereiche der vergangenen Epochen ab: Musikinstrumente gab es bereits in der Jungsteinzeit, Kalenderbauten und Astronomie nachgewiesen schon in der Bronzezeit, und die Eisenzeit-Erlebnistafel entführt Sie in die Welt der Metalle. Mit den Germanen und Römern beginnt die Zeit der geschriebenen Artefakte, und die Erlebnistafel eröffnet einen Einblick in die Runenkunde. Die verschiedenen Einflüsse der Völkerwanderung sind in der Welt der Stoffe und Kleidung zusammengefasst dargestellt, und bei der Mittelalter-Erlebnisstation können Sie wörtlich in die Rolle eines Burgfräuleins und des Armbrustmachers von Groß-Enzersdorf schlüpfen. Die Neuzeit greift ein Thema auf, das den Menschen auch schon von Anbeginn begleitet: Waffen für Jagd und Verteidigung.

In diesem Sinne - auf zur Zeitreise!